Das Solopreneur Dilemma
und 9 Tipps, wie Sie damit umgehen
Vor Kurzem sprachen wir mit einer Solopreneurin, deren smartes Geschäftskonzept gerade ins Rollen kommt. Sie hat erfolgreich eine eigene Marke aufgebaut, erste Produkte geschaffen, diese in den Markt gebracht und auch noch mit einer witzigen Idee einen guten Social Media Kanal gestartet und postet dort regelmäßig. Sie hat schöne Produkte und gute Rückmeldungen.
Auf unsere Frage, wie es ihr geht, antwortete sie:
Es läuft gut, aber manchmal ist mir das alles zu viel.
Es hängt ja alles an mir.
Damit sind wir bei einem zentralen Punkt im Solopreneurship. Ein smartes Geschäftskonzept gehen wir ein, weil wir mehr Unabhängigkeit wollen, mehr Leichtigkeit im Leben.
Und dann passiert regelmäßig das Folgende:
Sobald unser Geschäftskonzept wächst, wächst auch unser Leben voll.
Am Anfang war es gut, aber dann mit dem dritten, vierten Produkt ist der selbsteroberte Platz auf einmal plötzlich wieder abgegeben. Wir schlagen uns mit Technik herum, die nicht das tut, was sie sollte, schleppen Kartons, sind im Zeitplan gefühlt 4 Wochen hinterher.
Wir nennen dieses Problem „Das Solopreneur Dilemma“
Möchte ich mehr Leichtigkeit, brauche ich ein gut strukturiertes Business, in der Regel auch mehr Umsatz, höhere Stückzahlen, einen höheren Gewinn. Dafür muss ich meist zunächst mehr tun: Innovativer sein, also gründlicher über meine Angebote nachdenken, mehr Kunden betreuen, die sich dann mehr per E-Mail melden, die dann alle bei mir im Postkorb aufschlagen …
Ich wachse und irgendwann habe ich Wachstumsschmerzen
Dieses Dilemma tut besonders dann weh, wenn wir aus dem ersten Wellental kommen. Die Anfangswehen sind vorbei. Während des Aufbaus hat man noch nicht so viel verdient. Nun kommen erste Umsätze aus dem smarten Konzept, damit die ersten Gewinne, jetzt würde ich es gerne etwas ruhiger angehen und dann sehe ich: mit dem Wachstum kommen neue Herausforderungen. Eigentlich wollte ich mehr Pausen machen und jetzt kommen diese Wachstums-Störfeuer dazwischen! Es ärgert ungemein und viele hören genau an diesem Punkt auf: Es lohnt ja doch nicht. Ich will nach vorne, aber so nun auch wieder nicht – ein Dilemma.
Der Schuldige ist leicht identifiziert – das bin ich
Fast immer ist bald ein zentrales Problem identifiziert: Ich mache ja alles selbst. Deswegen fällt auch alles auf mich als den zentralen Entrepreneur zurück. Ein Fehler schlägt zu mir als Person durch, Entscheidungen muss ich alleine treffen, ich muss alle Dinge selbst bearbeiten… Das System „solo“ ist schuld, ich tauge als Entrepreneur_in nicht, ich hatte die falsche Idee …
… und so weiter.
Sehen wir das einmal von einem anderen Blickwinkel
Das Gefühl, dass man sich doch ein Team wünscht, kennen wir. Vor allem, wenn man wieder einmal eine gehörige Portion zu viel Neues angeschoben hat und das dann wegarbeiten muss. Wir wissen nicht, wie das bei Ihnen ist – wir haben mehr Ideen als in unser Leben passt. Das überschlägt sich schon hin und wieder einmal. Vor allem im Kopf entsteht dann der Druck: Ich könnte schon viel weiter sein, wenn ich nur noch das schaffe, dann würde … alles leichter sein.
Unsere Schwäche ist unsere Stärke
Als Smart Business Owner müssen wir Geduld lernen und das System verstehen, mit dem wir operieren. Nur dann können wir verhindern, dass wir nicht im Solopreneur Dilemma untergehen. Oder deswegen dem Wachstum ausweichen. Ein wichtiger Punkt ist zu verstehen, dass unsere Schwäche zugleich unsere Stärke ist. Wir können smart wachsen, müssen aber die Motorik dahinter verstehen.
Gunter Dueck über System-Widerstände
In Vorbereitung auf den Solopreneur Day liegt bei uns das Buch von Gunter Dueck „Das Neue und seine Feinde – wie Ideen verhindert werden und wie sie sich trotzdem durchsetzen“ auf dem Tisch. Dieses Buch ist NICHT für Smartianer geschrieben. Gunter Dueck ist Mathematiker und war bis 2011 Chief Technology Officer bei IBM. Sprich: Er war in diesem alten Konzern-Flaggschiff für Innovationen zuständig. In seinem Buch „Das Neue und seine Feinde“ beschreibt er dabei eine Realität, die jede/r Solopreneur_in sich jeden Morgen groß mit einem Edding an die Küchentür schreiben sollte:
Arbeitsteilung ist langsam
Solopreneure, die nach einem Team rufen, rufen nach der vermeintlichen Lösung: In einer „richtigen Firma“ hätte ich jetzt einen Assistenten, eine Abteilung Marketing, einen Kollegen, der mich tröstet und unterstützt.
Die Arbeitswirklichkeit in arbeitsteiligen Verbünden ist aber meist eine andere. Gunter Dueck beschreibt in seinem Buch, wie Arbeitsteilung so gut wie immer dazu führt, dass der Innovator (das wäre Ihre Rolle) mehr leisten muss, als wenn er alleine wäre! Denn er muss die Widerstände des Systems überwinden, um etwas Neues zu schaffen. Nur wenn Sie unter Deck gehen, also ein „Abarbeiter“ werden, schafft das System für Sie mehr Sicherheit. Als Gestalter haben Sie in einem arbeitsteiligen System meist mehr Stress, als wenn Sie solo gestalten. Denn Mitarbeiter wollen sich in der Regel nicht verändern, sie wollen einen Arbeitsplatz. Das führt zu dem kuriosen Umstand, dass Innovatoren (in einer Firma mit großem Team) häufig für ihre Innovationen auf Netzwerke AUßERHALB Ihres Unternehmens zurückgreifen müssen.
Smart sind Sie bereits extern
Solo haben Sie den Systemwiderstand nicht. Sie sind bereits außerhalb des Systems. Das bedeutet – UND DAS IST FÜR IHRE SEELE WICHTIG! – dass Sie in Ihrem eigenen System besser steuern können. Sie sind frei! Sie haben die ultimative, gestalterische Freiheit. Wenn es im Falle eines Falles mehr auf das Netzwerk ankommt als auf eine feste, angestellte Truppe, dann ist das genau die Struktur, auf der ein smartes Geschäftskonzept beruht.
Wie gehen Sie mit Engpässen um?
Solo hat seinen Preis. Ein smartes System ist kein perfektes System. Jede Medaille hat zwei Seiten. Solopreneure sind hin und wieder der eigene Flaschenhals. Uns fehlt hin und wieder die eine oder andere Hand. Und selbst die höhere Freiheit hat Tücken: Wenn wir besser steuern können, bedeutet das auch, dass wir uns oft zu früh an Dinge heranwagen, uns oft überschätzen. Das Segelboot einmal flott in das Wellental gesteuert – und PENG, haben Sie die Welle im Gesicht. Das wäre einem großen System nicht so schnell passiert.
Die eigene Schwäche neu bewerten
Solo ist nicht perfekt. Aber ein sehr starkes System. Wir möchten Sie dafür gewinnen, Ihr smartes System besser zu verstehen. Sie können mit Ihrem Solopreneur Dilemma lernen umzugehen. Ihre Schwäche ist Ihre Stärke! Es gilt, mit dem Flaschenhals richtig umzugehen.
Hier 9 Überlegungen, wie Sie besser mit dem Solopreneur-Dilemma umgehen:
1. Reduzieren Sie gekonnt
Wer sich überlastet fühlt, hat meist wirklich zu viel Last auf der Schulter. Aber nicht alles davon ist notwendig. Smart sein bedeutet oft: Ausmisten und bestimmte Anforderungen nicht bedienen. Entwickeln Sie eine Achtsamkeit, Dinge immer weiter zu vereinfachen und klar zu strukturieren.
2. Stärken Sie Ihre Stärke, in dem Sie flexibel bleiben
Bei einem smarten System haben Sie alles in der Hand. Das ist die Stärke des Systems. Suchen Sie den Ausweg nicht sofort in einem Geschäftspartner oder einem fest angestellten Mitarbeiter. Suchen Sie sich auf jeden Fall Assistenz oder ein Netzwerk, mit dem Sie austauschen können aber bleiben Sie flexibel. Unsere Beobachtung: Aus Frust sich einen Geschäftspartner oder Angestellten an Bord zu holen, ist meist keine Lösung.
3. Wachsen Sie organisch
Nur wenn Sie als Unternehmer_in wachsen, können Sie auch den Gewinn steigern. Sehen Sie sich aber genau an, in welche Richtung Sie wachsen. Wer falsch wächst, fängt sich Folgeprobleme ein. Die reine Skalierung eines schlechten Systems skaliert auch die Kopfschmerzen. Bauen Sie daher zunächst ein sauberes System. Wir raten: Am Anfang kompakt bleiben, Komplexität nicht zu früh ins System lassen, testen und lernen UND ERST DANN skalieren.
4. Das Gesetz der kleinen Zahl
Achten Sie auf Produkte mit genug Gewinnspanne, die auch bereits bei kleinen Verkaufszahlen Gewinn abwerfen. Wenn Sie nur auf Massenangebote mit geringer Gewinnspanne setzen, müssen Sie Massen bewegen. Ist dabei die Luft in der Kalkulation zu dünn, frisst jeder Fehler sofort den Gewinn auf. Sie kommen nicht aus der Überlastungs-Spirale.
5. Machen Sie Ihre Kunden glücklich
Achten Sie auf Prozesse, die stabil sind, und damit auf Ihre Qualität. Jede Stornierung ist in der Regel ein Individual-Fall mit Ärger und Zusatzaufwand. Es klingt banal, ist aber wahr: Machen Sie Ihre Kunden glücklich und Sie werden auch glücklich. Denken Sie voraus und kontrollieren Sie die Qualität, um Ihre Fehlerrate zu verringern (Checklisten wirken Wunder!). Das gilt nicht nur für Produzenten, sondern auch für Experten und alle anderen Smartianer.
6. Arbeiten Sie an Assistenz-Systemen
Wenn Sie Engstellen erkennen, steuern Sie rechtzeitig gegen! Warten Sie nicht, bis es richtig weh tut, handeln Sie zügig! Wo läuft der Arbeitskorb über? Wie können Sie diesen Sektor umgestalten, dass der Korb sich langsamer oder nicht mehr füllt? Wo gibt es ein Assistenz-System (das kann ein technisches System, ein Dienstleister oder freie Mitarbeitende sein), das Ihnen Routineaufgaben abnimmt?
7. Gezielt auslagern
Es gibt Dinge, die sollten Sie aus der Hand geben. Logistik ist fast immer so ein Punkt. Geben Sie das ab! Aber nicht zu früh. Erst, wenn Sie die Vorgänge kennen und es sich leisten können. Auch wenn die Kundenanfragen tatsächlich mehr werden (nicht weil die Qualität gesunken ist, sondern weil Ihre Kunden Sie klasse finden und mit Ihnen austauschen wollen), überlegen Sie sich ein System, wie Sie das gut steuern können, ohne unhöflich zu sein.
8. Nehmen Sie sich die Zeit für schwere Entscheidungen
Oft drücken wir uns vor Änderungen. Systemänderungen erzeugen häufig erst einmal Ärger. Haben Sie sich schon einmal von einem Steuerberater getrennt, weil er die digitale Welt nicht mehr versteht? Kein leichter Vorgang. Haben Sie schon einmal eine Lieblings-Software aufgegeben, weil sie zu klein geworden ist? Das macht keinen Spaß. Das Neue ist am Anfang immer „nicht so gut“ wie das Alte … Aber wollen Sie im Alten bleiben? Nein. Planen Sie genügend Zeit für Veränderungen ein.
9. Unterscheiden Sie Innovations-Bereiche und Service-Bereiche
Achten Sie darauf, was Sie delegieren. Viele Solpreneure sind Kreative. Sie wollen Bücher schreiben, Geräte entwickeln, Spiele entwerfen, spannende Workshops zelebrieren. Sie leben von ihrer eigenen Innovation. Fast alle Experten-Konzepte laufen so. Faustformel: Als Solopreneur-Kreativer behalten Sie die Innovationskraft in der Kernzelle! Also möglichst dicht bei Ihnen. Denn Sie sind die kreative Kraft im System. Es macht selten Sinn, für teures Geld Kreative einzukaufen, die die Arbeit machen, die Sie gerne selbst umsetzen. Anders ist das bei Service-Bereichen, die standardisiert und repliziert werden können. Dort kann es sinnvoll sein, frühzeitig auf feste (externe) Teams zu setzen. Aber auch bei replizierenden Aufgaben sehen Sie sich genau an, was Sie dort aufbauen. Sonst kommen Sie zwar aus dem Solopreneur-Dilemma, haben aber am Ende ein Arbeitgeber-Dilemma.
Das Solopreneur Dilemma kennen
Die Momente werden kommen, in denen Sie stöhnen: „Es hängt ja alles an mir.“ Die Momente, in denen das Dilemma zuschlägt: Sie müssen dranbleiben, um die nächste Stufe zu nehmen. ABER – und darum geht es in diesem Artikel: in Ihrem schlanken, kompakten System sind Sie wendiger als jeder Konzern oder andere Betrieb. Nutzen Sie das. Ändern Sie sich! Passen Sie Ihr System immer wieder so an, dass es für Sie passt. Wir sind uns gewiss: Sie wollen Ihr Dilemma nicht mit der Starrheit anderer Systeme tauschen.
Ein weiser Spruch zum Schluss
Wie geht Gunter Dueck eigentlich mit dem Solopreneur Dilemma um? Gar nicht, er ist ja ein Innovator in einem Konzern gewesen und schreibt für die großen Strukturen. So gesehen sind seine Ausführungen an vielen Stellen für smarte Geschäftskonzepte nicht relevant. Aber an einer Stelle hat er einen Rat, mit dem wir heute schließen:
Er zitiert Konfuzius:
Wer immerfort glücklich sein möchte, muss sich oft verändern.
Und wir können nur hinzufügen: Smart geht das.