Case Study Teekampagne
Neue Werte sind smart
In diesem Artikel geht es um
- ein Gespräch mit Prof. Günter Faltin
- Warum Deine Werte Deine Produkte bestimmen
- Warum Werte in einem System stehen
- Wie die Teekampagne wirklich entstand
- Warum neue Werte für Dich smart sind
Der Teekampagnen-Meister will uns persönlich sprechen
Auf dem Entrepreneurship Summit 2021 passierte eine Sache, mit der wir nicht gerechnet hatten. Günter Faltin wollte mit uns persönlich sprechen. Und das, obwohl er gerade (s)einen großen Kongress laufen hatte. Er ist ein guter Organisator. Er gibt Dinge aus der Hand, so dass er Zeit für Gespräche hat. Chapeau, das gefällt uns.
Werte verändern Deine Produkte
Das Gespräch, das wir führten, ging um einen Punkt, der auch bei Deiner smarten Produktentwicklung eine zentrale Rolle spielen könnte. Die Frage, wie sich Dein Produkt (Dein Service, Dein Wissen) durch Deine Werte (bzw. die Werte Deines Produktes) differenziert.
Und das hat etwas mit unserer Weltsicht zu tun.
Oder anders gesagt:
Verkaufst Du die alten (gedanklichen oder dinglichen) Wirtschaftsprodukte wie alle anderen, wirst Du Dich nicht von diesen alten Produkten des letzten Jahrhunderts abheben.
Das hat an zwei Stellen für Dein Geschäftskonzept Folgen:
- Du hast selbst keine wertebasierte Argumentation
- und damit eine schwache Story
- und unser Planet kommt damit an seine Grenzen
Worum ging es in unserem Gespräch?
Prof. Faltin hatte uns angesprochen, weil er uns die Wichtigkeit der Differenzierung durch andere Werte noch einmal ans Herz legen wollte. In unserem Buch Smart Business Concepts (2012), für das er ein Vorwort schrieb, war er jetzt beim nochmaligen Durchblättern über eine Übersichts-Liste gestolpert, in der wir bei der von ihm initiierten Teekampagne das Stichwort “Großpackungsmodell” vermerkt haben.
Besser würde er es finden, wenn dort nicht allein auf die Großpackung hingewiesen würde, denn wenn Leser von uns die Teekampagne nur als “Großpackungsmodell” verstehen, so sein Argument, bekommen sie ein falsches Bild.
Denn dann könnte man denken:
- Der Erfolg der Teekampagne kam durch Kostenreduktion
- Großpackung spart die Kosten von vielen kleinen Packungen
- Ergo ist das Produkt günstiger, ergo kaufen es mehr
Genau das ist aber NICHT die Geschichte der Teekampagne
Recht hat Prof. Faltin, das wäre eine Reduktion der ganzen Geschichte, und wir hatten das Vergnügen, von ihm noch einmal die Geschichte der Teekampagne persönlich zu hören. Nicht die ganze Geschichte, sondern den Punkt, auf den es ihm ankam. Danke dafür, denn uns ist in diesem Gespräch dieser eine Zusammenhang noch klarer geworden.
Erst Werte erhöhen, dann diese durch Kostenreduktion finanzieren!
Wir nennen das einmal die Werte-Kostenwaage
Bietest Du etwas an, das (ökologisch, ethisch) wertvoller ist, dann muss das irgendwie bezahlt werden. Viele Preise stimmen ja nicht, weil Umweltkosten nicht eingerechnet werden etc. Wertvollere Dinge fallen nicht vom Himmel. Damit haben wir in der Regel dieses Problem:
Erhöhst Du Dein Produkt massiv im Wert (wie bei der Teekampagne), gehen normalerweise sofort die Kosten hoch.
Um das auf den Markt zu bringen, musst Du entweder
- das Produkt teurer machen
- oder einen Weg finden, Kosten zu reduzieren
Und hier ging die Teekampagne den zweiten Weg
Um zu verhindern, dass sich unser Produkt massiv verteuert und wir dadurch nur eine Existenz am Rande des Marktes fristen, haben wir uns Gedanken gemacht, welche Einsparungen wir an anderer Stelle vornehmen konnten, um den Tee auch preislich attraktiv zu machen. (Günter Faltin)
Aber, und das ist wichtig: Dort begann die Entwicklung des Geschäftskonzeptes der Teekampagne nicht! Die smarte Konzeptentwicklung startete bei den Werten. Daher könnte man das Vorgehen so umschreiben.
- Werte-Upgrade first
- Kostensenkung second
Es ist also keine Effizienstrategie, sondern eine Werte-Wandel-Strategie in Kombination mit einer Effizienzstrategie. Erst als klar war, was an neuen Werten geschaffen werden sollte, wurde der Weg gesucht, das Modell so zu optimieren, dass der normale Kunde sich das auch leisten kann. Unter anderem wurde massiv am Marketing gespart, Zwischenhändler ausgeschaltet.
Die Werte-Kostenwaage der Teekampagne
Prof. Faltin hat das Vorgehen in seinem Buch “David gegen Goliath” (eine Neubearbeitung von “Wir sind das Kapital”) auf den Punkt gebracht und er sandte uns im Nachgang des Gespräches diesen Text, damit wir das schneller deutlich machen können.
David gegen Goliath – wir können das besser (2019), Seite: 96f
„Lassen Sie mich am Beispiel der Teebranche verdeutlichen, wie das Feld vor Gründung der Teekampagne aussah. Es gab eine große Zahl von Teeläden im ganzen Land, und es gab eine Vielzahl an Produkten, Sorten und Verpackungen. Also kein Mangel an Tee und seiner Vielfalt. Und doch bewegten sich alle innerhalb eines ganz bestimmten Systems. Eines Systems, das Tee für den Verbraucher teuer machte, den Produzenten nur einen Bruchteil des Erlöses abgab und von wenigen, aber mächtigen Importeuren dominiert wurde.
Dann kam die Teekampagne. Und mit ihr traten andere Koordinaten in den Vordergrund. Man könnte sagen: ein anderes Wertesystem. Fairer Umgang mit den Erzeugern, Abbau des Chemieeinsatzes und seiner Rückstände, Mittel für Wiederaufforstung, Kampf gegen die Verfälschung des Darjeeling-Tees, Transparenz der Abläufe und der Kalkulation.
Ein Teil dieser neuen Koordinaten war im alten System schlicht unvorstellbar: die Offenlegung der Kalkulation etwa und der offensive statt beschwichtigende Umgang mit Chemierückständen. Auch die Rückverfolgbarkeit des Inhalts jeder einzelnen Teepackung war für die Fürsten mit ihren raffinierten Teemischungen ein Unding.
Der andere Teil der Koordinaten hätte im alten System das Produkt erheblich verteuert: die Kosten des fairen Handels etwa, der biologisch-organische Anbau, das Engagement für Wiederaufforstung oder das Beharren auf 100-prozentig reinem Ursprungstee.
Um zu verhindern, dass sich unser Produkt massiv verteuert und wir dadurch nur eine Existenz am Rande des Marktes fristen, haben wir uns Gedanken gemacht, welche Einsparungen wir an anderer Stelle vornehmen konnten, um den Tee auch preislich attraktiv zu machen. Wenn man so will: fairer Handel auch für den Konsumenten, Verzicht darauf, den Preis auf dem Weg von der Plantage zum Verbraucher zu vervielfachen. Wo also konnten wir einsparen, ohne gegen unsere eigenen Werte zu verstoßen? Erst die radikale Beschränkung auf eine einzige Sorte Tee schuf die Voraussetzung dafür. Nur dadurch konnten wir so große Einkaufsmengen generieren, dass der Direktimport möglich wurde. Die vielen noch aus der britischen Kolonialzeit stammenden Handelsstufen konnten wir so überspringen.
Erst damit, mit diesen Einsparungen, war es möglich, einen Spitzentee für alle erschwinglich zu machen. Im alten System gab es niemanden und nichts, das die spätkoloniale Architektur des Handels infrage gestellt und den Tee damit wesentlich verbilligt hatte.
Dieses Zitat ist ein bisschen länger geworden als gedacht, aber dieser Text gibt den Gedanken der Teekampagne am besten wieder.”
Mit herzlichen Grüßen nach Hamburg
Günter Faltin, Nov 2021
Denke nicht an die Großpackung – denke an den Wertewandel
Das bringt gut auf den Punkt, welche Strategie die Teekampagne gegangen ist. Das Ergebnis war dann das in unseren Augen legendäre Produkt “1 KG Darjeeling Tee in der Großpackung”. Danke für das Gespräch, Herr Faltin.
Wichtig für Dich ist an diesem Gedankengang nicht das Detail (Großpackung), sondern der Entwicklungsweg:
- Werte-Upgrade first
- Kostensenkung second
Die Wirkung des Produktes “Teekampagne” (ein wertebasiertes Handelskonzept) kommt daher vor allem aus einem “Systemwechsel”. Einem, den wir an vielen Stellen brauchen und den Du in Deinem smarten Konzept auch vornehmen kannst. Das wäre smart und Du bekommst damit das stärkere und zukunftsfähige Konzept.